Station 7

Zu wenig Zeit und Aufmerksamkeit können Schädigungen bewirken

In den Einrichtungen des Sozial- und Gesundheitswesens wie Krankenanstalten und Alten- und Pflegeheime finden ältere Menschen Hilfe bei gesundheitlichen Problemen bzw. Unterstützung bei der Bewältigung des Alltags.

Jeder Krankenhausaufenthalt ist eine dramatische Veränderung der Lebenssituation. Erst recht gilt das für die dauerhafte Übersiedlung in ein Alten- und Pflegeheim. Für den älteren Menschen erfordert sie eine hohe Anpassungsleistung an neue, unbekannte Strukturen.

Die Lebenswelten und Bedürfnisse von Patient:innen bzw. Bewohner:innen, die persönliche und berufliche Situation der Mitarbeiter:innen und die Anforderungen einer komplexen Organisation sind nicht immer in Einklang zu bringen. Das führt zu gewaltgeneigten Situationen.

Bestimmte Handlungen direkter körperlicher Gewalt entstehen aus nicht fachgerecht durchgeführten Pflegeleistungen, wie jemanden bei der Körperpflege grob anfassen, einen sich wehrenden Menschen ungeduldig in die Dusche zerren, gegen seinen Willen waschen oder ihm Nahrung in den Mund „stopfen“. Es ist auch Gewalt, Behandlungen ohne Erklärung und eine angemessene Anpassungszeit zu beginnen.

Aber nicht nur aktives Handeln, sondern auch Passivität gefährdet die Gesundheit und die Lebensqualität älterer Menschen. Dazu zählt das Vernachlässigen erforderlicher Pflegemaßnahmen, wie das hautschonende Lagern, das zum Wundliegen führt, oder das Ignorieren von Schmerzen oder falsche bzw. unterlassene Medikamentengaben.

Überzogene Haftungsängste oder Sicherheitsbedenken führen dazu, dass manche Dienstvorschriften bzw. einzelne Führungskräfte selbständige Aktivitäten von Bewohner:innen einschränken oder von vornherein verbieten.

Den Willen des älteren Menschen nicht zu berücksichtigen oder dagegen zu handeln sind auch Formen der Gewalt. Auch unangebrachte Bemerkungen oder Witze über das Aussehen oder körperliche Merkmale sowie für Unbeteiligte einsehbare Pflegehandlungen sind Übergriffe, die Schamgefühle auslösen oder die Intimsphäre verletzen und bedeuten Gewalt.

Gewalthafte Situationen sind nicht nur auf das Verhalten von Einzelpersonen zurückzuführen. Sie entstehen auch durch Strukturen und Regeln, die sich Organisationen geben, um einen geordneten Ablauf der Dienstleistungen sicherzustellen. Manche der Vorschriften und Handlungsanleitungen orientieren sich weniger an den Interessen und Bedürfnissen der älteren Menschen, sondern mehr an der von den Trägern oder Betreibern festgelegten Effizienz des Betriebes. Dadurch sehen sich auch gutwillige Mitarbeiter:innen mit der Tatsache konfrontiert, in manchen Fällen gegen den Willen der Menschen zu handeln bzw. gegen das Berufsethos verstoßen zu müssen.

Vor allem die starren Zeitpläne, die sich nicht immer an den aktuellen Bedürfnissen der Bewohner:innen orientieren, sondern organisatorischen Gesichtspunkten folgen, schränken die Autonomie der Menschen ein, wie zahlreiche Beispiele, etwa Körperpflege im Morgengrauen, zu frühes Abendessen und zu frühe Bettruhe zeigen. Ob Gewalthandlungen als solche erkannt werden, hängt von allen Beteiligten ab, von der Leitung ebenso wie vom Personal auf allen Ebenen. So hat geringes Interesse an Fortbildungen zur Folge, dass es an Kenntnissen über spezielle Krankheitsbilder und deren Symptome mangelt und zu Pflegefehlern führt, die bei den Betroffenen vermeidbare Schmerzen hervorrufen. Auch ist nicht allen Pflegekräften bewusst, dass eine vermeintlich fürsorgliche Betreuung Gewalt bedeutet, wenn sie gegen den Willen des älteren Menschen geschieht.

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