Station 5
Herabwürdigung kann zum Alltag werden
Diskriminierung ist jede Form von Abwertung, die Personen bzw. Personengruppen aufgrund eines bestimmten gemeinsamen Merkmals, z.B. des Alters oder des Geschlechts, ungerechtfertigt von der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ausschließt oder sozial benachteiligt.
Es werden drei Ebenen von Diskriminierungen unterschieden:
Die erste Ebene ist der juristische und politische Überbau. Die österreichische Rechtsordnung sieht grundsätzlich einen besonderen Schutz älterer Menschen nicht vor. Eine Ausnahme sind etwa die Heimbewohner:innen-Rechte, doch sind diese nicht individuell einklagbar. Das ist unbefriedigend. Im österreichischen Parlament haben die Menschen höheren Alters keine Vertretung, denn es gibt derzeit keine Abgeordneten, die über 68 Jahre alt sind.
Die zweite Ebene ist die Welt der Kommunikation. Werbung und Reklame arbeiten oftmals mit einem verzerrten Bild. Ältere Menschen treten in der Werbung als Akteur:innen selten auf und wenn, dann beschränken sich die in den Werbespots vorkommenden Altersbilder auf wenige Stereotypen, wie z.B. als Sonderlinge mit einem Hang zur Exzentrizität, wodurch sie der Lächerlichkeit preisgegeben werden. Richten sich Werbebotschaften an Ältere, dann vor allem für solche Güter- und Dienstleistungsangebote, die die Assoziation „alt, krank, hässlich“ hervorrufen, wie z.B. Pharmazeutika, Geriatrika, „Anti-Aging“-Kosmetika. Speziell ältere Frauen werden häufig mit Bezug auf den Verlust von Schönheit und Jugend präsentiert. In den Unterhaltungsprogrammen begegnet man älteren Frauen bevorzugt in niedrigen sozialen Positionen (z.B. als Hausfrau oder Witwe), was auf ältere Männer so nicht zutrifft. Ganz allgemein sind die Inhalte vieler Fernsehsendungen auf die jüngeren, „werberelevanten Zielgruppen“ zugeschnitten.
Die Thematisierung des höheren Alters in den redaktionell gestalteten Inhalten in den Medien ist diskriminierend, weil die Berichterstattung häufig durch eine negative Sichtweise geprägt ist. Der ältere Mensch erscheint in den Nachrichten und Magazinen als Sinnbild für Siechtum und Elend, begleitet von einem Foto mit Gehstock oder Rollator. Der demografische Wandel wird auch in als seriös gelten wollenden Berichten irreführend mit „Überalterung“ oder „Vergreisung“ gleichgesetzt. Gesellschaftlich weit verbreitet ist die sprachliche Diskriminierung. Abwertende Äußerungen und Bezeichnungen finden sich in großer Zahl, z.B. die Benennung als „Gruftis“ oder „alte Schachtel“. Oft werden unliebsame Personen schon allein dadurch zu diffamieren versucht, indem man sie als „alt“ oder „greis“ charakterisiert.
Die dritte Ebene ist die konkrete Lebenswelt des Alltags. In der Arbeitswelt gibt es eine einseitige Ausrichtung auf eine „junge“ Belegschaft. Obwohl Vorurteile gegen ältere Mitarbeiter:innen, wie jenes ihrer angeblich häufigen Krankenstände, nicht der Realität entsprechen, sondern vielmehr altersgemischte Teams sich als produktiver erwiesen haben, werden Ältere bei Einstellungen und Qualifizierungsmaßnahmen übergangen und zum unfreiwilligen Ausscheiden gebracht.
Generell ist außerhalb des Familienverbandes eine ausgesprochen schwache intergenerationelle Kommunikationsdichte festzustellen, die sich auch in einer Sprach- und Verständnislosigkeit zwischen Jung und Alt ausdrückt. Während viele Jugendliche in einer Welt des technischen Fortschritts zu Hause und durch die sozialen Medien über weite räumliche Distanzen vernetzt sind, verbringen Teilgruppen von älteren Menschen ihre Zeit allein oder in Alten- und Pflegeheimen – fernab vom Rest der Gesellschaft.
Im Bildungs- und Kulturbereich besteht eine Lücke zwischen der sehr niedrigen realen Beteiligung an Bildungsaktivitäten seitens älterer Menschen und deren viel höherem Interesse. Die geringe Bildungsbeteiligung im höheren Alter ist also durch das fehlende Angebot bedingt und auch dadurch, dass die Veranstaltungen meist abends stattfinden. Im Alltag stößt man auf viele Begriffe, wie Customer Care, Helpline oder Call Center, die für Menschen ohne englische Sprachkenntnisse unverständlich sind.